Lyrik
"Ich bin ein Mensch, der sich - weil er die Begabung dazu hat - mit dem Aussprechen und Sehen von Poesie beschäftigt, der in Dichtung ein Instrument erblickt, um auf unterschiedlichen Ebenen von der Wahrheit, die er erfährt, zu künden. Das kann verschlungen sein, das kann zu Umwegen führen. Aber letztlich ist es das Ziel, das ich im Auge behalten will (wenn es mir auch nicht immer gelingt). Ich möchte also, wenn es denn gestattet ist, anderen helfen, auf ihrem Weg (zu sich, zu Gott) voranzukommen. Dabei ist mir durch das Schreiben auch vieles sichtbar, bekannt geworden, was ich zuvor nicht wußte. Sicherlich. Aber hier, bei unserem jetzigen Briefwechsel, erscheint es mir unerheblich, davon zu sprechen. Das, was Kafka einmal sagte: "Mein Körper warnt mich vor jedem Wort" benennt sehr schön die Umstände, unter denen ich - wenn es mir gut gelingt, ich völlig konzentriert bin und die Auszusprechenden mir gegenwärtig und wirklich innerlich nahe sind, schreibe. Das ist eine mystische Dimension und womöglich, was Deine Vorstellungen vom Schreiben betrifft, weit entfernt von jeglicher Technik, jeglichem Feilen. Gott ist Gegenwart (in der sich Vergangenheit und Zukunft vereinen). In diesem Zustand zu sein, das ist Kreativität."
(Aus einem Brief an einen Schriftstellerkollegen, 7. März 1994)